Weidgerechtigkeit – wen interessiert´s?

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie am Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft der Universität für Bodenkultur (Wien) wurden in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien aktive Jägerinnen und Jäger zum Thema Weidgerechtigkeit befragt. Innerhalb von vier Monaten (bis zum 30. Juni 2021) gingen insgesamt 3.642 gültige Antworten ein – davon 3.199 für Deutschland und 390 für Österreich. Das Folgende ist ein Auszug aus den Antworten der deutschen Jägerschaft.

Die Verbindlichkeit der ungeschriebenen Regeln der Weidgerechtigkeit

Die ungeschriebenen Regeln der Weidgerechtigkeit waren für etwas mehr als 80% der deutschen Stichprobenpopulation eine verbindliche Richtschnur für ihr jagdliches Verhalten. Die Frage war auf die ungeschriebenen Regeln der Weidgerechtigkeit beschränkt, um sie von den geschriebenen Regeln, wie etwa dem Elternschutz oder den Schonzeitenregelungen, abzugrenzen. 

Allerdings gab es hier signifikante Unterschiede, wenn man die Antworten nach verschiedenen Kriterien aufgliederte, etwa nach den Geschlechtern:

Auch die Verbandsmitgliedschaft hatte teilweise erheblichen Einfluss auf die Antworten:

Bei den Antworten kam es offenbar ebenfalls darauf an, in welcher Eigenschaft die Jagd ausgeübt wird; dies gilt insbesondere für die Befragten, die vorwiegend im Rahmen eines Anstellungsverhältnisses jagen (hier vereinfacht als ,Berufsjäger, Förster‘ zusammengefasst):

Aktivitäten der Jagdverbände in Sachen Weidgerechtigkeit

Etwa 64% der Befragten wünschten sich von den Jagdverbänden mehr Handreichungen in Fragen der Weidgerechtigkeit, in erster Linie zur Jagdpraxis (37%), aber auch zur Jagdethik (27%). Dabei hatte wiederum die Verbandsmitgliedschaft erheblichen Einfluss auf die Antworten:

Weidgerechtigkeit in der Jägerausbildung

Während die zahlenmäßige Mehrheit der Befragten der Auffassung waren, das Thema Weidgerechtigkeit werde in der Jägerausbildung angemessen und ausreichend behandelt, sahen die Ausbilder und Prüfer dies dagegen mehrheitlich kritisch:

Grundsätze der Weidgerechtigkeit

Befragt nach ihrer Einschätzung bestimmter Grundsätze der Weidgerechtigkeit stand für die Befragten der Tierschutz klar im Vordergrund. An zweiter Stelle wurde die Wahrung des Ansehens der Jägerschaft genannt, während der Umwelt- und Naturschutz, zumindest als zentraler Grundsatz, auf dem letzten Platz landete; zwar erhielt er als wichtiger und vorrangiger Grundsatz die relativ meisten Stimmen, rückte dadurch in der Gesamtwertung (bei Aggregation der ersten beiden Antwortmöglichkeiten) aber auch nur auf den vorletzten Platz auf:

Einzelfälle jagdlichen Verhaltens – weidgerecht?

Abschließend wurden verschiedene jagdliche Situationen beschrieben und die Teilnehmer gebeten, diese danach einzuschätzen, ob und ggfs. mit welchen Konsequenzen sie als Verstöße gegen die Grundsätze weidgerechten Verhaltens betrachtet werden sollten:

Als gravierendster Verstoß wurde das Unterlassen der Anschusskontrolle und der Meldung eines vermeintlichen Fehlschusses bei einer Gesellschaftsjagd angegeben, gefolgt von dem Schuss auf einen Keiler bei einer Treibjagd, und zwar ohne Kontrollschuss, obwohl beim Aufbaumen die Waffe vom Ansitz gefallen war (und der Keiler anschließend mit Gebrächtreffer im Nachbarrevier gefunden wurde – der verspätete Kontrollschuss ergab eine Trefferabweichung von 15cm). Alle weiteren Verhaltensweisen wurden unter dem Gesichtspunkt der Weidgerechtigkeit mit einigem Abstand und abnehmender Tendenz als kritisch angesehen.

Da die Umfrageteilnehmer nicht individuell ausgewählt, sondern über das Internet und Soziale Medien angesprochen wurden, können die Ergebnisse nicht mit stochastischen Methoden verallgemeinert werden; es handelt sich also nicht um eine „repräsentative Umfrage“. Gleichwohl lassen sich allgemeine Tendenzen und Stimmungen erkennen, die durchaus interpretationsfähig sind.

Eine detaillierte Darstellung aller Ergebnisse der Umfrage sowie ihre Diskussion erfolgt als Teil einer Abschlussarbeit im Rahmen des 13. Universitätslehrgangs „Jagdwirt/in“ am eingangs genannten Institut für Wildbiologie und Jagdwirtschaft. Dort kann die Arbeit nach ihrem Abschluss, voraussichtlich im 3. Quartal 2022, von der homepage www.jagdwirt.at aus dem Bereich Abschlussarbeiten heruntergeladen werden.

Dr. Thomas Paul
Dr. Thomas Paul
Teilnehmer des Universitätslehrgangs Jagdwirt/in an der Universität für Bodenkultur in Wien, Rechtsanwalt in Frankfurt am Main, jagdlich aktiv im hessischen Odenwald.

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