Alles Gute kommt von oben
Alles Gute kommt von oben werden die Tiere des Waldes dieses Jahr sagen. Der Grund: Eiche und Buche haben reichlich Früchte ausgebildet, die jetzt Stück für Stück auf den Boden fallen und von allem Schalenwild mit Freuden aufgenommen werden. Eine bessere Möglichkeit, um für den Winter ordentlich Fettreserven anzulegen, kann es gar nicht geben.
Mehr Mastjahre als früher
Jäger richten schon im Laufe des Sommers häufig mal in Laubholzbeständen den Blick nach oben, um herauszubekommen, ob es in dem Jahr einen guten Fruchtansatz gegeben hat. Früher hieß es, im Schnitt alle sieben Jahre bilden Eiche und Buche reichhaltig Früchte aus. Der Klimawandel hat diesen Rhythmus kürzer werden lassen, was sicher auch mit zum Anwachsen der Schwarzwildbestände geführt hat. Fachleute nehmen an, dass Wärme und Trockenheit kürzere Intervalle auslöst, dass Eiche und Buche durch die Klimaveränderung so unter Stress stehen, dass sie noch für möglichst viele Nachkommen sorgen wollen. Das Wild profitiert davon, es ist für sie wie ein Hauptgewinn bei einer Lotterieausschüttung.
Kraftnahrung aus Kohlehydraten und Proteinen
Wenn man sich vor Augen führt, dass eine große Eiche bei einer Vollmast bis zu 3.000 Kilo Eichen abwerfen kann, wird klar, was für eine riesige Menge an Baumfrüchten dieses Jahr auf den Boden fallen. Die Buchen stehen 2022 dem in nichts nach. Und auch wenn ihre Früchte wesentlich zierlicher sind als die prallen Eicheln, gleichen sie das durch eine größere Anzahl aus: „Powerfood“ aus Kohlehydraten und Proteine vom Feinsten. Auch die Kastanien haben unbeschadet von der Kastanienminiermotte, die ihre Blätter schon früh im Jahr braun werden lässt, wieder reichlich von den glänzenden braunen Früchten abgesetzt. Das passiert bei diesem beliebten Alleebaum allerdings regelmäßig jedes Jahr. Der Zuspruch des Schalenwildes zu diesen Früchten hält sich allerdings in Grenzen. Am ehesten findet das Damwild Gefallen daran.
Maiskirrungen ziehen nicht mehr
Über diesen Segen von oben zum Nulltarif darf sich der Jäger zwar freuen, andererseits kann es bedeuten, dass er seine übliche Jagdstrategie umstellen muss. Wer zum Beispiel vorwiegend auf die Jagd an der Kirrung setzt, wird vermutlich viele vergebliche Stunden an diesen Einrichtungen absitzen. Denn die frischen Baumfrüchte üben eine deutlich größere Anziehungskraft aufs Wild aus als der Kirrungsmais. Schwierig wird es auch in großen Laubwaldrevieren, da Reh-, Rot- oder Schwarzwild auf der ganzen Fläche sich mit den Baumfrüchten Pansen oder Waidsack füllen, sich also überall oder nirgends aufhalten können. Da hilft nur eine vorsichtige Pirsch, wenn es die Verhältnisse zulassen.
Wenige Mastbäume – große Anziehungskraft
Aber die Mast bietet auch zusätzliche Chancen. Gerade in Revieren mit vorwiegend Nadelholz befinden sich eigentlich auch immer kleine Laubholzabschnitte oder Einzelbäume. Die sind unter diesen Umständen, da kaum Alternativen bestehen, besondere Anziehungspunkte. Das Laub ist größtenteils gefallen, so dass auch die Lichtverhältnisse stimmen. Mit einer Wildkamera lässt sich schnell feststellen, ob hier Betrieb herrscht. Falls kein Hochsitz in der Nähe steht, ist ein Schirm in Verbindung mit einem Pirschweg schnell angelegt. An Straße und Wegen stehen häufig ältere Eichen, die viel Licht bekommen und deshalb weit ausgelegt haben. Ebenfalls eine Stelle, die eine Kontrolle wert ist, um festzustellen, ob die Schwarzkittel hier in den Nachtstunden nach Eicheln suchen.
Der Appetit auf tierisches Eiweiß wächst
Schwarzwildjäger sollten im Hinterkopf haben, dass gerade in Mastjahren die Sauen ein ausgeprägtes Verlangen auf tierisches Eiweiß entwickeln und in der Folge intensiv das Grünland umdrehen, um nach Regenwürmern und Insekten zu brechen. Mit Vorliebe in der zweiten Nachthälfte. Die schwarzen Gesellen werden dadurch zwar sichtbar, aber nicht immer ist der Jäger zur Stelle. Und großflächige Grünlandschäden wieder einzuplaggen, auf diese mühselige Arbeit ist mit Sicherheit kein Grünrock scharf. Wenn es nicht anders geht, deshalb lieber die bekannten Schwachstellen rechtzeitig verstänkern, um die schwarzen Untergrundarbeiter von diesen Flächen fernzuhalten.
Auf die Verhältnisse einstellen
Die Prozesse in der Natur sind dynamisch und immer wieder anders. So schön wie eine üppige Mast ist, der Kirrungsjäger muss sich etwas einfallen lassen, um auf seine Strecke zu kommen. Ähnlich ist es mit Schnee, der jetzt immer seltener die Reviere in ein spannendes Weiß taucht. Harter oder verharschter Schnee behindert erfolgreiche Einzeljagd, weicher Pulverschnee hingegen erhöht die Chancen. Es gilt, sich auf die Verhältnisse rechtzeitig einzustellen und flexibel zu bleiben, das macht die Sache interessant und abwechslungsreich, das macht die Jagd aus.