Auslandsjagd und Naturschutz

Die PIRSCH hat in der jagdfreien Zeit mit Berufsjäger-Legende Ronnie „Omaruru“ Rowland ein Gespräch über Afrika, die Auslandsjagd und das Erongo-Verzeichnis geführt.

Das Jagd-Gen wurde Ihnen bestimmt mit in die Wiege gelegt …

Ronnie Rowland: Mein Großvater väterlicherseits war Nord-Ire, mütterlicherseits stammen meine Wurzeln aus Bochum. Mein deutschstämmiger Opa war Ingenieur und passionierter Jäger auch auf Elfenbein in Angola. Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte er eine Farm in Namibia. Dort bin ich aufgewachsen, und da mein Großvater eine Vorliebe für meinen älteren Bruder hatte, musste ich mich selbst beschäftigen. Und hier spielten die Kinder unserer Farmarbeiter vom Stamm der Klippkaffern eine maßgebliche Rolle.

Sie brachten Ihnen das Jagen bei?

Ronnie Rowland: Mein Kumpel ‚Duggu’ sowie Bernhard und Joel (Vater und Onkel von Duggu) haben mir die ganzen Buschmann-Techniken gezeigt – Fährtenlesen, mit Kot einschmieren, um den Eigengeruch zu unterdrücken, eine Behausung bauen, Essen und Wasser in Wüste und Busch finden, mit Steinschleuder und Bogen jagen. Mit vier Jahren hab ich dann meine erste Diana Luftbüchse bekommen, mit sechs folgte ein Tesching – und mit sieben habe ich mit Großvaters 8×60 S meine erste Eland-Antilope erlegt. Dabei achtete der alte Herr stets darauf, dass ich jagdlich nach den deutschen Tugenden erzogen wurde. Bei uns wurde nur wegen des Fleisches gejagt, Trophäenjagd fand damals nicht statt. Aber Auswüchse und Maßlosigkeit hatte es auch bei mir gegeben, so hab ich mit ‚Duggu’ einmal mehr als 30 Honigsauger (Anm. der Red.: Kolibri-Art) unter einem Strauch liegend mit der Zwille geschossen. Stolz kam ich zu meinem Großvater, doch der hat mir stattdessen den Hintern vollgehauen – das war mir eine Lehre. Außerdem musste ich alle Vögel aufessen, bevor ich wieder etwas anderes bekam.

Wie ging es weiter?

Ronnie Rowland: Meine Mutter war Dolmetscherin, so kamen wichtige Regierungsbeamte aus Südafrika zu uns auf die Farm, wo mein Großvater sie auf die Jagd führte. Das habe ich mir als kleiner Steppke angeschaut und liebte das ganze Drumherum.

Und so wurden Sie Berufsjäger?

Ronnie Rowland: Nach der Schule ging ich erstmal ein Jahr ins südafrikanische Berufsheer, bis 1983 hatte ich noch jedes Jahr drei Monate scharfen Einsatz auch in der heißen Zeit in Angola, aber darüber rede ich nicht gerne. Meine Familie war allerdings der Meinung, dass wenigstens einer studieren sollte, und so ging ich acht Jahre an die Universität von Stellenbosch, um dort Geografie, Soziologie, Deutsch und Politikwissenschaften zu studieren. Nach Bachelor und Masterabschluss wurde ich an der University of South Africa in Pretoria Dozent für Verwaltungslehre. Als Spezialist für Max Weber (Anm. der Red.: deutscher Soziologe, Jurist, National- und Sozialökonom) verschlug es mich als Gastdozent auch in die USA, nach Großbritannien und Deutschland. Trotzdem nutzte ich die 160 Tage vorlesungsfreie Zeit, um Gäste auf die Jagd in Simbabwe, Sambia, Südafrika und Namibia zu führen.

Und hier sind Sie schließlich hängen geblieben …

Ronnie Rowland: Aufgrund meiner Kriegserfahrungen und den langen Touren im Busch hatte ich eh immer eine Aversion gegen die Stadt. Ich bin wohl so etwas wie ein Einzelgänger. Dann kam bei den Universitätskollegen auch noch Neid auf, schließlich stellte man mich vor die Wahl. So entschied ich mich 1991 für den Busch. Allerdings gab es plötzlich ein Problem – denn während meiner Uni-Vorlesungen hatte ich auch Kobus Schoeman kennengelernt. Er war als Naturschutz-Chef auch zuständig für die Berufsjäger in Transvaal und auch einer der Hauptautoren des Berufsjägergesetzes. Und der sagte mir auf den Kopf zu, dass ich wildere und er mich anzeigen müsse. So wurde aus dem Wilderer Rowland 1992 ein offiziell bestätigter Professional Hunter. Während des PH-Kurses sah mich einer der größten Präparatoren in Südafrika und schüttelte nur grinsend den Kopf.

„Omaruru“ in der Berufsjägerschule – wie kamen Sie eigentlich zu dem Namen?

Ronnie Rowland: Das stammt noch aus meiner Kindheit. Wir hatten auf der Farm eine Milchstation, die aber im August nicht liefern konnte, weil ein bestimmter Strauch blühte, und wenn die Rinder davon fraßen, war die Milch bitter. Daraus wurde dann bittere Buttermilch (= Omaruru) gemacht, die ich literweise trinken konnte. So nannte mich ‚Duggu‘ fortan Omaruru.

Welche Waffe bzw. welches Kaliber benutzen Sie am liebsten?

Ronnie Rowland: Ich war nie ein Freund des weiten Schießens. Bis 1987 habe ich nur über die offene Visierung geschossen. Und selbst heute sitzt ein Zielfernrohr nur auf meiner Mauser in 7×57. Seit 1986 führe ich einen von Jurie Majoor gebauten 98er in .416 Rigby auf gefährliches Wild. Nachdem ich aber zwei unangenehme Situationen mit Büffel und Elefant hatte, bin ich umgestiegen auf die Doppelbüchse. Und die kam 1994 von B. Searcy & Co. (USA), einem ehemaligen Ingenieur der NASA, der sie mir zuerst als Prototypen gab. Nachdem er noch einige Details verändert hatte, ließ ich mir eine .470 N.E. mit Maßschaft analog zu dem an meiner Rigby bauen – und dieser Waffe vertraue ich auf Dangerous Game bis heute blind.

Und geben Ihr Wissen auch an die jüngere Berufsjäger-Generation weiter…

Ronnie Rowland: Von 1995 bis 2002 war ich Ausbilder, akkreditiert bei der südafrikanischen Regierung. Von 1998 bis 2000 dann auch PHASA-Präsident. Das kam allerdings sehr überraschend. Viele PHs regten sich darüber auf, dass PHASA sich immer mehr zu einem englischen Club exklusiver Herren entwickelte und sich die eigentlichen Berufsjäger mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt fühlten. Mein Wahlerfolg kam zwar überraschend, aber mir war klar, dass es nur eine Zukunft geben kann, wenn es mir gelingt, Brücken zu schlagen zwischen Buren und Engländern genauso wie zu allen anderen interessierten Verbänden – Farmer, Tierfänger, Präparatoren, Berufs- und Gastjäger. Und irgendwie ist uns das auch gelungen, denn innerhalb von zwei Jahren stieg die Mitgliederzahl von 400 auf 1400 an – der größte Verband in ganz Afrika. Auch Öffentlichkeitsarbeit mit der Presse sowie proaktive Strategien gegen ‚grüne‘ Entwicklungen in Afrika haben wir losgetreten. Während meiner Präsidentschaft habe ich ferner den Dachverband südliches Afrika (Regional Professional Hunters Association of Southern Africa) ins Leben ge­rufen.

Welches sind Ihrer Erfahrung nach die besten Gastjäger-Nationen?

Ronnie Rowland: Das sind die deutschsprachigen Länder mit Deutschland und Österreich. Von zehn Jägern weltweit macht es bei fünfen Freude, sie führen zu dürfen. Die Amerikaner sind in der Regel als Schütze akribischer vorbereitet und mit dem Wild in der Theorie besser vertraut. Viele von ihnen sind Gott sei Dank von guten PHs auch in vernünftige Bahnen gelenkt worden. Trotzdem gibt es unter ihnen viele, die die Jagd wie eine ‚Supermarktliste‘ abarbeiten wollen.

Und die sind verantwortlich für die Auswüchse der Trophäenjagd?

Ronnie Rowland: Natürlich haben sie Mitschuld – ziehen Sie einfach 50 Prozent von den Gastjägern ab, dann sieht es schon besser aus. Aber auch 80 Prozent der Berufsjäger haben nichts im Busch zu suchen. Die Hälfte von denen kann man noch retten, der Rest sind Kommerzjäger, die hinter hohen Zäunen jagen beziehungsweise Käfiglöwen, gezüchtete Rekordbüffel oder die neuesten Farbvarianten ‚Golden Oryx’ oder ‚Moon Shadow Impala’ – meist in Südafrika – anbieten. Das hat doch nichts mehr mit Jagd zu tun. Die Hauptschuldigen sind meines Erachtens die Berufsjäger mit dem ‚Maßband‘ im Kopf. Aber es ist nie zu spät, um innezuhalten und sich auf die ursprünglichen Werte und das Wesen der Jagd zu besinnen. Selbst ich hatte eine Zeit, in der der ‚Dollar-Gott‘ mich beherrscht hat. Ich habe ihm nach einer Phase der Besinnung nachhaltig den Rücken gekehrt. Also weiß ich, wovon ich hier rede.

Also sind selbst bei den Berufsjägern fehlgeleitete dabei …

Ronnie Rowland: Ja. Wenn man Jäger wird, durchläuft man vier Phasen: 1. die Aufwachsphase, in der du als Kind etwas tötest und dabei Macht verspürst. In der 2. Killerphase tötest du wahl- und zahllos. Aber hier ist gleichzeitig der Scheideweg – das kann weiter in die falsche Richtung führen, oder du wirst durch äußere Einflüsse bzw. einen Lehrmeister gelenkt. Dann kommst du in die 3. Besinnungsphase – man entnimmt nur das, was man braucht. Und in der 4. Reifephase tötest du meist gar nicht mehr selbst. Deine Gäste lässt du nur im Rahmen ihrer persönlichen Möglichkeiten schießen, du bringst sie nahe an ein reifes Stück heran und freust dich mit deinem Gast so, als ob du selbst gejagt hättest. Seit 1991 habe ich erst wieder 2004 einen Großen Riedbock und 2012 einen Wüsten-Springbock für mich erlegt – und bei letzterem hatte ich nach tagelanger Pirsch auf den einen ganz bestimmten alten Springbock Tränen der Freude in den Augen.

Wie sieht es derzeit in Namibia aus?

Ronnie Rowland: Namibia steht als einziges Land hinter der nachhaltigen Jagd, und das ist auch in der Verfassung festgeschrieben. Die letzte Bastion sozusagen im sterbenden Afrika.

Jagd ist oft in der Kritik, der Fototourismus soll’s richten…

Ronnie Rowland: Gehen die Berufsjäger raus, nimmt die Wilderei zu. Wild ist für die Schwarzen Essen, sie verstehen durch die Verwestlichung nicht mehr, warum man es bewahren soll. Das Schlimmste ist die kommerzielle Wilderei, hier geht es nicht um die Deckung des Nahrungsbedarfs der Familie, sondern ums Geldverdienen. Die Fotografie allein wird das Wild daher nicht erhalten. Man kann Fotos auch nicht essen. Eine Symbiose aus Jagd von April bis September (sie versorgt die Menschen vor Ort mit Fleisch) und anschließenden Fotosafaris kann funktionieren. Zu viele Elefanten z.B. verändern ihr eigenes Biotop nachhaltig, sie zerstören es. Überall dort wird der Konflikt zwischen Mensch und Tier eskalieren. Auf der anderen Seite werden dann wieder medienwirksam Elefanten-Stoßzähne verbrannt. So eine Dummheit – verkauft sie doch lieber. Vor allem ist es nur ein Spektakel, denn Elfenbein verbrennt nicht.

Ist das ein Grund für das Erongo-Verzeichnis? Was sind kurz und knapp die Ziele?

Ronnie Rowland: Kai Uwe als Antreiber und Hauptgründer hat mit einigen Gleichgesinnten über Jahre da­rüber diskutiert und die Vision in die Tat umgesetzt. Die Qualität und die Bestände reifer Bullen sind durch Systeme wie SCI mit deren Messmethoden stark rückläufig. Wir wollen hingegen Plätze schaffen, die autochthone, nachhaltige Jagd ermöglichen. Ich jage seit Jahrzehnten nach einem Prinzip: Lass Deinen Jagdgast nie eine Trophäe erbeuten, die du nicht selbst an der Wand haben willst. Jage vor allem altes, reifes Wild. So haben wir das Erongo-Verzeichnis aus der Taufe gehoben – die vier Grundpfeiler sind: 1. autochthones Wildvorkommen (nur Arten, die dort natürlich vorkommen), 2. freie Wildbahn (Rinder-, aber keine hohen Wildzäune), 3. eine Großraubwildart muss vorhanden sein (Löwe, Leopard, Gepard, Wildhunde, Tüpfel- oder Braune Hyäne), 4. ethische Jagd (alte Trophäen, nah ran ans Wild, es muss eine Chance haben – Fair Chasse). Darüber hinaus müssen wir vor allem an die nachfolgenden Berufsjäger-Generationen denken und diese entsprechend schulen. Heute haben sich alle Berufsjäger irgendwie spezialisiert und sind Fachmänner für zwei, drei Jagdgebiete – keiner hat mehr alles vom Dik Dik bis zum Elefanten parat. Wir wollen dieses geballte Wissen in einem Kompendium zusammentragen und für die Nachwelt erhalten. So können wir auch das SCI-Maßband-Denken in den Köpfen unserer PHs verändern. Wir setzen auf Reife- oder Alterspunkte statt nur aufs Maßband. Mit dem Begriff ‚Recordbook‘ war ich allerdings nicht glücklich, aber international ist er besser fassbar. Im Verzeichnis werden wir alte, reife Trophäen ohne Rangplätze und nur nach groben Regionen ehren, denn wir wollen keinen Wettbewerb anfachen.

Sie haben seit 2014 im Rahmen des Erongo-Verzeichnisses eine Art Gütesiegel vergeben …

Ronnie Rowland: Nennen wir es lieber Akkreditierung. Die Berufsjäger qualifizieren sich durch das Akzeptieren und Verinnerlichen unserer Prinzipien. Es wird jedoch schwer, bei Gast- und Berufsjägern gleichzeitig eine veränderte Einstellung herbeizuführen. Allerdings lassen wir so dem Kunden die freie Wahl. Mit dem Gütesiegel kann man z.B. auf einen Blick erfassen, wo in freier Wildbahn nach der Philosophie des Erongo-Verzeichnisses gejagt wird. Die Berufsjäger müssen sich natürlich an den Marktpreisen orientieren, ohne dabei das Wild zu verramschen. Der durchschnittliche Tagessatz für Plainsgame in Namibia liegt bei 150 Euro, hier sollten sich die Jungen bei 200 Euro einpendeln und die Führung 2 : 1 fokussieren. Vor allem aber gilt es, den Gastjäger zum Innehalten zu bringen, um zum Wesen der Jagd zurückkehren zu können und ein Teil mit der Tierwelt zu werden. Keine Kaufhausliste, keine jungen Stücke, keine Wildzäune, keine Weitschüsse, keine Wildarten, die da nicht natürlich vorkommen – ganz ursprüngliche Jagd eben. Und die muss auch etwas kosten dürfen. Natürlich wird der Markt entscheiden, ob es Bestand hat. Trotzdem sind wir der Überzeugung, dass diese Prinzipien Zukunft haben werden, schon allein aus moralischen und ethischen Gründen.

Wie ist es um die Akzeptanz in Namibia bestellt?

Ronnie Rowland: Kai Uwe hat damals das Erongo-Konzept der namibischen ­Regierung im Rahmen einer Trophäenschau vorgestellt – und erntete ehrliche Begeisterung, weil aus unseren Reihen erstmals ein nachhaltiges Jagdkonzept entwickelt wurde. Es war eine kleine Sensation, dass eine schwarze Regierung von einer Gruppe von Weißen begeistert war. Man muss es ganz klar sagen: Unser Naturschutz in Afrika ist abhängig von den Auslandsjägern.

Warum ist es um den Rest der afrikanischen Staaten so schlecht bestellt?

Ronnie Rowland: Es ist das Unvermögen der Regierungen, Naturschutz, Jagd und die explodierende Bevölkerung in Einklang zu bringen. Und es sind darüber hinaus die Stammesfehden, die Korruption, der Diebstahl und die allerorts herrschende Vetternwirtschaft. So läuft Afrika. Auch eure Entwicklungshilfe kommt im Normalfall nicht da an, wo sie hin soll – sie landet etwa in der Schweiz auf geheimen Konten der regierenden Clanmitglieder. Lasst Afrika den Bach runtergehen. Nur dann wird es eine Lösung zwischen Schwarz und Weiß geben. 

Ich bin eine gute Fee. Sie haben drei Wünsche frei, für Afrika …

Ronnie Rowland: 1. Weisheit für Schwarze und Weiße. 2. Schwarz und Weiß müssen sich einander als Einheimische akzeptieren. 3. Ein weiser Herrscher oder Ältestenrat regiert ganz Afrika. Wenn wir einander wirklich verstehen, kann sein Rat dafür sorgen, dass Regierung und Verwaltung im Sinne von Mensch und Tier entscheiden. 

Und für die Jagd?

Ronnie Rowland: 1. Zurückkehren zu den alten Werten wie Ehrlichkeit, Loyalität und Treue. 2. Eine Zukunft für unsere junge Berufsjäger-Generation. 3. Ein Zurück zur Natur mit dem Respekt, den ihr heutzutage nur noch Naturvölker wie die Buschmänner entgegenbringen.

Die Fragen stellte Sascha Numßen

Zur PERSON

Ronald William „Omaruru“ Rowland, geb. 1952 in Tsumeb (Namibia); Studium der Geografie, Soziologie und Deutsch sowie Politikwissenschaften in Stellenbosch (Südafrika); später Dozent an der University of South Africa (Pretoria). Lizensierter Berufsjäger; ehemals Präsident der PHASA (südafrikanischer Berufsjägerverband); Mitbegründer des Erongo-Verzeichnisses

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