Mehr Raum und Ruhe für das Rotwild

Der Rothirsch (Cervus elaphus) ist daran angepasst, dass es im Winter weniger Futter gibt. Sein Magen ist jetzt kleiner und fasst nur noch halb so viel Nahrung wie im Sommer. (Foto: imageBROKER.com / Frank Sommariva)

Der Rothirsch (Cervus elaphus) – in der Jägersprache Rotwild genannt – hat in unseren Breiten Strategien für nahrungsarme Zeiten entwickelt. Wird es kalt, fährt er seinen Stoffwechsel herunter, um Energie zu sparen. Doch seine Ruhe wird zunehmend gestört, und seine Nahrungsalternativen schwinden.

Wenn im Herbst die Tage kürzer werden, stellt sich das Rotwild auf die kalte Jahreszeit ein. Die Tiere fressen sich Energiereserven an, und im Gebirge wandern sie mit dem Kälteeinbruch in tiefer liegende Lebensräume. Im Winter reduziert sich ihr ­Stoffwechsel, manche Organe wie Leber und Magen schrumpfen sogar. Dadurch sparen sie Energie und können länger von ihren Fettreserven zehren. Sie brauchen dann vor allem Ruhe, um gut durch die Wochen der Nahrungsknappheit zu kommen. Doch Freizeitaktivitäten von uns Menschen stören das Rotwild immer wieder in seinem Lebensraum. Die Folgen: akuter Stress bei einzelnen Tieren und chronischer Stress bei ganzen Beständen.

Energiesparer: Das Rotwild kann seinen Herzschlag im Winter von 70 auf 40 Schläge pro Minute reduzieren. (Foto: imageBROKER.com / David & Micha Sheldon)

Rotwild bitte nicht stören

Deshalb sollten wir dem Rotwild in unserer Kulturlandschaft Räume anbieten, in denen die Tiere möglichst ungestört die vegetationsarmen Monate verbringen können. Wichtig in dieser Zeit ist eine verbindliche Jagdruhe auf wiederkäuende Huftiere wie Rot- und Rehwild. Auch die Wildökologische Raumplanung trägt zu einem klugen Wildtiermanagement bei: Wo Lebens­räume von Wildtieren und touristische Gebiete aufeinandertreffen, legt sie Schwerpunkträume jeweils für Mensch und Tier fest und bringt die verschiedenen Ansprüche in Einklang. Gebiete, in denen Rotwild überwintert, bleiben frei von Störungen.

Wer nichts tut, verbrennt auch keine Kalorien. In der kalten Jahreszeit stehen die Tiere darum häufig regungslos in der Landschaft. (Foto: imageBROKER.com / FLPA / Andrew Mason)

Pappeln und Weiden als Notration

Dem Rotwild wird das Überleben im Winter auch dadurch erschwert, dass bestimmte Pflanzen aus seinen Lebensräumen verschwunden sind. Die Deutsche Wildtier Stiftung hat sich im Mai 2024 auf dem von Frankonia unterstützten 11. Rotwildsymposium mit dem Thema beschäftigt. Dort wurde gezeigt, dass forstlich unattraktive Nebenbaumarten wie Zitterpappeln und Weiden seit vielen Jahrzehnten gezielt aus den Wäldern verdrängt werden. Die Triebe dieser sogenannten Weichhölzer bieten dem Rotwild bei Nahrungsengpässen aber wichtige Futter­alternativen. Wir fordern daher, dass diese ökologisch wertvollen Baumarten, die unter anderem auch Wirtspflanzen für zahlreiche Waldschmetterlingsarten sind, durch waldbauliche Maßnahmen wieder stärker gefördert oder neu etabliert werden.

Unter der dichten Schneedecke ist Nahrung besonders schwer zu finden. (Foto: imageBROKER.com / Michaela Walch)

Kühle Flecken für heiße Sommertage gesucht

Immer häufiger hat das Rotwild auch im Sommer Schwierigkeiten, ausreichend Futter zu finden – also zu einer Zeit, in der die Tiere eigentlich Energiereserven für Brunft und Winter aufbauen müssen. Durch den Klimawandel kommt es vermehrt zu Dürren, und viele Nahrungspflanzen sterben ab. Menschen­gemachte Entwässerung durch dichte Grabennetze verstärkt das Problem und trocknet selbst feuchte Lebensräume in schattigen Wäldern aus. Kühle, wassernahe Gebiete ohne Störungen durch den Menschen, in denen die Tiere bei Hitze Schutz finden, sind in unserer dicht besiedelten Kulturlandschaft immer schwieriger zu finden. Deshalb sollte in geeigneten Waldbereichen die Entwässerung gestoppt werden. So bieten wir dem Rotwild Rückzugsmöglichkeiten für heiße Tage, und nicht zuletzt schützen wir die Bäume vor Trockenstress.

Gemeinsam den Rothirsch schützen

Der Rothirsch ist zwar nicht in seinem Bestand bedroht, doch in weiten Teilen unseres Landes kann er nicht mehr seinen
natürlichen Verhaltensweisen nachgehen. Denn er steht seit Jahrhunderten zwischen den Fronten: Konflikte mit Jagdrecht, Landwirtschaft, Forst und inzwischen auch Freizeitaktivitäten von uns Menschen setzen ihm zu.

Der Gründer der Deutschen Wildtier Stiftung, Haymo G. Rethwisch, erkannte als Jäger schon früh, dass das Rotwild in seinem Lebensraum immer stärker bedrängt wird. Deswegen setzt sich die Stiftung seit mehr als 30 Jahren mit politischem Engagement und Öffentlichkeitsarbeit dafür ein, dass die Tiere Raum zum Leben haben und ihre natürlichen Verhaltensweisen ausleben können.

Übernehmen Sie ab 10 Euro im Monat eine Patenschaft für unser Rothirsch-Projekt oder spenden Sie einmalig.

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